Aus Erich von Dänikens Mystery Park im Schweizer Interlaken könnte ein Spielplatz für Big Tech-Evangelisten werden. Viel ändern würde sich dadurch vorerst nicht.

Weltweit ist eine Allianz aus Big Money und Big Tech-Unternehmen auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre Ideen jenseits staatlicher Eingriffe umsetzen zu können. Schließlich sieht man sich auf nahezu missionarische Weise verpflichtet, die Menschheit mit immer neuen Heilsversprechen zu perfektionieren. Zu dumm, dass Aktivisten und Gesetze im Weg stehen, wenn zivilgesellschaftlich vereinbarte Grenzen mutwillig überschritten werden. Schließlich geht es neben dem Wohl der Menschheit auch um hohen Profit, den üblicherweise jenes Unternehmen einsackt, das am ehesten einen neu geschaffenen Markt dominiert. Und damit auch um viel Macht. Am besten scheint dieses Ziel zu erreichen, indem neue Errungenschaften auf spielerische Weise der Bevölkerung nahegebracht werden. Ein Prinzip, das zuletzt bei der Allianz aus OpenAI unter Sam Altman und Microsoft hervorragend funktioniert hat. Kleinere Staaten können dem Treiben nur machtlos zusehen oder versuchen gar, ihm mit großem Aufwand nachzueifern, was nicht nur viel Geld, sondern auch Ressourcen bindet.

Big Tech und das Heile-Welt-Syndrom

Wie aber kommt man nun zu einer im libertären Sinne freien Testumgebung? Ansätze gibt es sonder Zahl. Der einfachste Weg scheint zu sein, den Staat nicht auszubooten, sondern als Partner zu gewinnen. Ein Beispiel dafür liefert die gescheiterte Kooperation zwischen der kanadischen Großstadt Toronto, lokalen Financiers sowie dem mittlerweile eingestellten Testlabor Sidewalk Labs des Big Tech-Großkonzerns Alphabet/Google. In deren Rahmen sollte das Hafenviertel Quayside zum Prototypen einer vollständig vernetzten Smart City umgebaut werden. Einer inklusiven, wohlhabenden, ökologisch ausgerichteten und permanent überwachten Traumwelt, in der Dissens, Gewalt und Verbrechen keine Chance hätten. Nun, in der Praxis zeigte sich rasch, dass beim harten Kontakt mit der Realität nicht viel von den weltverbessernden Ideen übrig geblieben war. Das neue Projekt hätte, so es denn realisiert worden wäre, einfach nicht der tatsächlichen Befindlichkeit der Bevölkerung entsprochen. Zudem wäre es aufgrund der hohen Wohnpreise zu einer isolierten Reicheninsel inmitten der Stadt geworden und keineswegs zum inklusiven Wohlfühlort. Die Covid-Pandemie hat das Sidewalk Labs-Projekt schließlich endgültig vom Tisch gefegt.

Paternalistische Strukturen

Trotz des gescheiterten kanadischen Experiments gibt es immer wieder Ansätze, gesellschaftliche Experimente im rechtsfreien Raum zu installieren. US-Firmen wie Alphabet, Meta oder X träumen von Städten auf dem offenen Meer oder auf dem Mond, um gesetzlichen Beschränkungen zu entgehen. Elon Musk hat jüngst das Gelände um seine Space-X-Basis Starbase dazu verwendet, eine Stadt nach seiner eigenen Willkür aufzubauen. In Starbase City gilt als Gesetz, was Elon Musk laut seines Wertekanons als solches definiert. Das bekannteste europäische Projekt dieses Zuschnitts ist die selbst ernannte Republik Liberland, die sich im Niemandsland zwischen Serbien und Kroatien an der Donau angesiedelt hat. Schritt für Schritt soll das Gebiet bewohnt werden und im Endausbau zu einem richtigen Staat mit eigenen Gesetzen, eigener Währung und eigener Verwaltung werden. Pässe werden bereits verkauft. Neben seiner grundsätzlichen Eignung als Geldwäscheparadies inmitten der EU zeigt Liberland in seiner Grundausrichtung genau jene Mischung aus Libertariarismus und Anarchie, die Firmen aus dem Silicon Valley so eigen ist. Erlaubt ist, was Geld bringt.

Plus ça change, plus c’est la même chose

Im Schweizer Mystery Park ist derlei vorerst nicht zu erwarten. Erich von Dänikens überaus populäre pseudowissenschaftliche Astro-Theorien sind gar nicht so weit entfernt von jenen vieler Big Tech-Evangelisten. Kritische Beobachter werden also weiterhin einiges zu schmunzeln haben, wenn auf dem Gelände des bisherigen Mystery Parks neue Errungenschaften der IT-Elite zu erleben sein werden. Zunächst wollen die beiden Investoren Jürgen Wowra und Mihai Alisie am bestehenden Konzept auch wenig ändern: Freizeit trifft Fernzeit. Jürgen Wowra, mit Traglufthallen zu unternehmerischem Erfolg gelangt, ist neben seines Anspruchs auf gelebte Philanthropie erfolgreicher Immobilienentwickler und Financier einer gemeinnützigen Stiftung. Vom zweiten Investor, dem Rumänen Mihai Alisie, ist zu hören, dass er mit der Ethereum-Blockchain zu Ruhm und Reichtum gelangt ist. Somit handelt es sich um die wohlbekannte Symbiose aus traditioneller und Big Tech-Wirtschaft. Wenig verwunderlich daher, dass Wowra und Alisie bereits von einem Zukunftscampus träumen, in dem eine globale Wissenselite mit technischen Hilfsmitteln die Probleme der Menschheit löst. Freiwillige Bewohner des Zukunftslabors werden dem Vernehmen nach bereits gesucht.

Quelle: Messe & Event Magazin

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Kategorien: Messebau

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